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Santa Devi ist 9 Jahre alt und geht zu Schule, jedenfalls ist sie dort  registriert. Aber Santa Devi ist keine gute Schülerin. Zwar macht es ihr Spaß, die Buchstaben herzusagen oder die englischen Worte zu lernen, aber sie ist oft zu müde um im Unterricht konzentriert mitmachen zu können. Sie muss schon vor der Schule das Wasser holen, von der Quelle, die tief unten in der Schlucht ist, und dann noch das Gras für die Ziegen schneiden, damit sie zu fressen haben über den Tag.

Aber wirklich schwer ist das Sammeln von Feuerholz. Der Weg ist weit, denn in ihrem Dorf gibt es keinen einzigen Baum mehr, und so laufen die Mädchen in kleinen Gruppen meist anderthalb Stunden bis zu den nahen Hügeln, wo die Büsche und Bäume unter ihren Sicheln zu Brennholz werden. Es muss dann den ganzen Weg zurück geschleppt werden und die Kinder sind echt müde wenn sie zu Hause ankommen.

Der Regen ist in diesem Jahr besonders stark und der Fluss hinterm Dorf ist schon ziemlich breit und reißend. Santa Devi und die anderen Kinder können ihn nicht mehr durchwaten, um zu den Hügeln zu gelangen. Der Holzvorrat wird schnell zu Neige gehen und bei dem Wetter trocknet kein Mistfladen, mit dem man auch ein Kochfeuer unterhalten könnte.  Also machen die Kinder einen großen Umweg und werden den halben Tag unterwegs sein.

Am Fuß der Hügel angekommen sieht Santa Devi sofort was passiert ist – ein Erdrutsch! Die Grasnarbe und einige Büschen sind mit der Erdschicht vom Hügel ganz oben herunter gerutscht und haben nur knapp das Haus der Lehrerfamilie und die Schule verfehlt. Andere Bauern hatten nicht so viel Glück. Alle laufen aufgeregt herum, aber es scheint niemand unter der Erde verschüttet zu sein.

Sofort packen die Kinder mit an. Sie befreien mit ihren Sicheln die eingeschlossenen Ziegen im Stall und machen die Äste klein, die den Eingang zur Schule versperren. Sie helfen einer alten Frau, die hingefallen ist und  bringen die zwei Wasserbüffel in Sicherheit. Santa Devi hat immer ein bisschen Angst vor den großen Tieren, aber dazu bleibt jetzt keine Zeit.

Als das ganze Ausmaß des Unglücks klar wird, wendet sich der Zorn der Bauern plötzlich gegen die Kinder: „Verschwindet hier, wegen euch rutscht der Berg ab, die Waldgötter wehren sich, weil ihr zu viel Holz abgehackt habt. Seht nur was ihr jetzt angerichtet habt“, schreien sie und die Mädchen müssen rennen um nicht auch noch Prügel zu beziehen.

Santa Devi und die anderen Mädchen laufen so schnell sie können am reißenden Fluss entlang, es regnet immer noch heftig und die Kinder kommen total durchnässt in ihrem Dorf an. Santa Devi weint vor Erschöpfung und vor Wut auch. Was hatte der Mann gesagt? Sie sei Schuld an dem Unglück weil sie das Holz geschlagen haben? Aber wie kann denn das sein? Jedes Kind weiß doch, dass so ein Unglück immer von den Göttern gemacht wird, und seit wann kann Feuerholz machen die Götter erzürnen?

Die Feuerstelle in der Küche qualmt stark und will gar nicht richtig brennen, also keine Chance sich wenigstens die Finger zu wärmen. Wie soll sie nur heute Abend den Reis kochen?

Eine Woche nach dem großen Erdrutsch im Nachbardorf (es wurden sechs Häuser und zwei Ställe total zerstört) wird im Dorf unter dem großen Pipalbaum ein Meeting abgehalten. Diese Dorftreffen gehen immer laut und auch sehr bunt zu. Jeder will etwas sagen und die Kinder langweilen sich eher dabei. Dieses Mal geht es sie aber etwas an, denn Santa Devis Freundinnen haben zu Hause ihre Erlebnisse beim Holz holen erzählt und die Eltern riefen diese Dorfversammlung zusammen.

Eigentlich wollten die Eltern eine Vergeltung für die Beschimpfung ihrer Kinder organisieren, aber da meldet sich der Lehrer zu Wort und erklärt allen mit einfachen Worten den Zusammenhang zwischen der Abholzung, der Erosion und dem Erdrutsch. Dann macht er einen Vorschlag, wie man viel Holz einsparen kann, nämlich mit einem einfachen Lehmofen für die Küche.

Die Regenzeit ist vorbei, die warme Wintersonne tut gut und alle Bäume und Büsche stehen frisch und saftig da. Holz holen geht wieder leichter und die schlimmen Bilder vom Erdrutsch verblassen in den Köpfen der Kinder.

Der Lehrer hat den Ofenbauer ins Dorf geholt und der geht jetzt von Haus zu Haus und informiert die Eltern, über die Vorteile des Lehmofens. Santa Devis Mutter ist gleich begeistert und sie meldet sich als erste, die sich so einen Ofen einbauen lässt.

Die Kinder sitzen in der Hocke um die Ofenbaustelle herum und beobachten jeden Handgriff des Ofenmachers. Sie können es kaum erwarten, bis alles so weit trocken ist dass der Ofen befeuert werden kann und Santa Devi träumt davon, vor der nächsten Regenzeit einige Bäume zu pflanzen, um den Waldgott gutmütig zu stimmen.